Eythra, ein Ort, der über 1000 Jahre bestand
Eythra
ist eine sehr alte slawische Siedlung. Bereits Kaiser Otto der Große
(936 - 973) hatte den Ort Itera dem 968 ins Leben gerufenen Hochstifte
Merseburg geschenkt. Der Ort gehörte zur Markgrafschaft Thietmars,
der ihn sich unrechtmäßigerweise aneignete. Auf die Beschwerde
des Bischofs Giselher von Merseburg entschied Kaiser Otto II. durch eine
Urkunde, ausgestellt in Saalfeld am 17. August 979, daß Eythra dem
Stifte Merseburg wieder zurückgegeben werde. Am 4. März 1004,
datiert Wallhausen, hat König Heinrich II. dem wiederhergestellten
Bistum Merseburg die früheren Verleihungen seiner Vorgänger
bestätigt und noch fünf weitere Orte hinzugefügt. Eine wichtige Versammlung fand nach fünf Jahren hier in Eythra statt, gewissermaßen eine Huldigung, und zwar vor dem neuernannten Bischof von Merseburg. Es war Thietmar, jener berühmte Geschichtsschreiber, der von Kaiser Heinrich II. 1009 zum Bischof erwählt und in Neuburg an der Donau gesalbt wurde. Von hier aus reiste er nach Merseburg. Dabei besuchte er erst eins seiner Güter in Egisvilla-Eisdorf, das sorbisch Malasin hieß. Am anderen Tage reiste er "nach Iteri an der Elster, hier versammelte er seine Stiftsvasallen und redete sie freundlich an. Alsdann reiste er nach Merseburg." Markgraf Dietrich von Landsberg verkaufte am 25. Juni 1277 dem Bischof Friedrich das Gericht Eisdorf samt allem Zubehör und allen zum Distrikt gehörenden Orten für 300 Mark Silber. Zu diesen Orten gehörte auch "Itere", das heutige Eythra. Es wird dann am 28. Februar 1337 neben Starzedil (d.h. Starsiedel) ausdrücklich als Parochialkirche erwähnt (ecclesia parochialis). In Eythra wurde 1499 der bekannte Bischof von Naumburg Julius Pflug geboren, der am 3. September 1564 in Zeitz starb. Sein Vater Cäsar Pflug besaß das Rittergut und war Rat des Herzogs Georg. Bei Einführung der Reformation fand am 6. Februar 1545 eine Visitation in "Eyter" statt. Der Pfarrer hieß Johannes Frischmann, von Cronach gebürtig. In dem Dorfe wohnten "27 hausbesessene Wirte", 1564 aber wurden in "Eitter" 34 bewohnte Häuser angemerkt. Im Jahre 1592 wurden durch Herzog Friedrich Wilhelm von Weimar, der für den jungen Kurfürsten die Regierung führte, alle die Geistlichen ihres Amtes entsetzt, die zum Kryptokalvinismus neigten, auch der Merseburger Stiftssuperintendent Dr. Rother. Der Pfarrer von Eythra, Magister Georg Berthold, wartete die Entscheidung seiner Behörde gar nicht erst ab, sondern legte sein Amt nieder und ging nach der Pfalz. Die Kirche Eythra scheint in der ältesten Zeit nur eine Kapelle gewesen zu sein, in der der Pfarrer zu Bösdorf zuweilen amtierte. Später wurde die Kapelle vermutlich zur Tochterkirche "erhoben" und im 16. Jahrhundert zur Pfarrkirche. Der erste evangelische Pfarrer schreibt nämlich im Jahre 1564, daß er von Bösdorf nach Eythra verzogen sei, da beide wegen geringen Pfarreinkommens vereinigt wurden. Daraus läßt sich auch erklären, daß in Bösdorf sonntäglich, in Eythra nur aller 14 Tage gepredigt wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein. Zur Kirche gehört auch das Gut Neuhof. Die Erbauungszeit der Kirche ist unbekannt. 1840 wurde sie vergrößert, 1890 abermals erneuert, 1889 die Kirchenbeheizung, 1904 Gasbeleuchtung und 1913 die neue Turmuhr beschafft. Die Glocken sind vor 1840 umgeschmolzen worden. Das Kirchenvermögen war früher gering. Der Kirchhof diente früher als Friedhof bis zur Anlage des neuen außerhalb des Dorfes. Die kostbare Holzschnitzerei "Die schmerzensreiche Jungfrau" befindet sich jetzt im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, ebenso ein Flügelaltar mit zwei Statuen. Früher stand das Recht, die Pfarrstelle zu besetzen, dem Domkapitel zu Merseburg und dem Rittergutsbesitzer zu Eythra zu, seit 1748 aber dem letzteren allein. Bis zum Jahre 1890 bestand die sogenannte Altgemeinde, der aller in der Gemeinde vorhandene offentliche Besitz gehörte. Sie umfaßte 31 Grundstücksbesitzer, die Pfarre und die Schule, also 33 Mitglieder, nicht aber das Rittergut. Die Altgemeinde hatte aber auch für Unterhaltung der öffentlichen Wege usw. zu sorgen. Im Januar 1891 ist die Altgemeinde aufgelöst wurden. Ihre sämtlichen Grundstücke mit allen Rechten, Lasten und Nutzungen wurden für 25000 Mark an die politische Gemeinde verkauft. Von Eythra nach Zwenkau führt eine sehr wichtige Verbindungsstraße auf hohem Damme. Die Wasserläufe und Flutrinnen werden auf verhältnismäßig hohen Brücken überschritten. In alter Zeit hieß diese mit Baumstämmen belegte Straße "der Stockweg". Er mußte von 41 Dörfern unterhalten werden. Es waren aus der heutigen Amtshauptmannschaft: Eythra, Probstdeuben, Zeschwitz, Imnitz, Prödel, Großdalzig, Stöhna sowie "Budigaster und Schmechter Mark" in Flur Zwenkau und die preusischen Dörfer bis Caja, Pobles usw. Außerdem waren zur Instandhaltung noch verpflichtet die Rittergüter zu Knauthain, Imnitz und Eythra sowie die Stadt Zwenkau und der Pfarrer daselbst. Die erforderlichen Holzstämme wurden in den damals kurfürstlichen Wäldern geschlagen. Den notwendigen Kies entnahm man mit Zustimmung des Rittergutsbesitzers von Eythra der nahen Elster. Die Aufsicht über diese Arbeiten übte das sogenannte "Hohe Brückgericht" aus, das aus Bauern aus den betreffenden Dörfern bestand und im nahen Eisdorf tagte (das Ritter- und Jagd-Gedinge). Vorsitzender war der Landschreiber aus dem Amte Lützen. Die Beisitzer oder Brückenrichter hiessen während des Gerichtes "Ritter" und bedienten sich einer besonderen Sprache und eigentümlicher Bräuche, deren Nichtachtung mit Geldstrafen belegt wurde, die "zum Besten" der Teilnehmer verwandt wurden. Ein festliches Mahl im Gasthof Ratskeller in Eisdorf beschloß die "Arbeit". Wer bei der Wegbesichtigung nicht aus der Kutsche stieg, mußte sechs neue Schock Groschen zahlen. Als im Jahre 1793 der Landesherr die Unterhaltung des Weges übernahm, hörte das "Hohe Brückgericht" auf. Kriegsschrecken sind auch Eythra nicht erspart geblieben. Im Siebenjährigen Kriege suchten preusische Truppen den Ort heim. 1813 hatte er unter dem Durchzug feindlicher und verbündeter Truppen zu leiden. Noch bis 1815 gehörte Eythra zum Hochstift Merseburg, und zwar ins Amt Lützen. Es zählte in 44 Häusern rund 200 Einwohner, die ziemlich sieben Hufen versteuerten. Das Dorf gehörte zum Rittergute Eythra, zu dem auch Bösdorf und Zitzschen gehörten. Die Aufsicht über Kirche und Schule führte der erste Geistliche in Lützen, der Senior. In dem Rittergute war bis 1840 täglich eine offene Gerichtsstube, wo Gerichtsdirektor und Landrichter (nicht mit den heutigen Juristen gleichzustellen) für den Rittergutsbesitzer amteten, der ja auch Mausitz besaß, zu dem Großdalzig und Tellschütz gehörten. Der Rittergutsbesitzer war zugleich Kirchen- und Schulpatron von Eythra und Mausitz. Das Schloß wurde als kostbare Besitzung und der Park als eine der schönsten Anlagen der Leipziger Umgebung gerühmt. Besitzer waren: die Pflugs (Andreas Pflug gest. 1524); die Gräfin von Rechenberg, die eine Waisenkasse stiftete zur Erziehung von Waisen in Familien (Kapital 1840: 12000 Taler); die Herren von Schleinitz; 1751 der Graf von Werthern, der den Park besonders pflegte. Er verkaufte das Gut an Minister Senft von Pilsach, seinen Schwager. Von der verwitweten Gräfin kaufte das Rittergut Kammerrat David Anger, dessen Sohn das Gut noch 1860 besaß. Um das Jahr 1840 wohnten in Eythra 900 Einwohner. In der "massiven Schule", die Kammerrat Anger 1825 erbaut hatte, unterrichteten zwei Lehrer. Die Häuser zwischen Elster und Mühlgraben hießen die "Altmühle". Zum Rittergute gehörte auch Bösdorf. Bis Ende 1878 unterstanden die Kirchfahrten Eythra, Bösdorf, wie die der Umgebung der Euphorie Pegau. 1855 - 1860 hatte Eythra neben dem Rittergute eine Wassermühle mit sechs Gängen, Hirse- und Ölstampfen nebst Sägemühle und 130 bewohnte Häuser mit 787 Einwohnern. Der Park des Rittergutsbesitzers Anger wurde damals trotz der Entfernung viel von Leipzig aus besucht. Mitte des 19. Jahrhunderts war auch die Runkelrübenzuckerfabrik, die hier bestanden hatte, wieder eingegangen. Seit der Gerichtsneuordnung gehörte Eythra zum Gerichtsamt Zwenkau, zum Bezirksgericht Borna. 1859 zählte es 130 bewohnte Gebäude mit 186 Haushaltungen und 787 Bewohnern. Die Parochie zählte 1000 Seelen. Die Gemeinde hat sich in den letzten fünf Jahrzehnten recht günstig entwickelt; sie zählte 1875: 861; 1880: 1064; 1895: 1268; 1900: 1582; 1903 mit den beiden Rittergütern 1810 Einwohner und 204 bewohnte Gebäude, 1910: 1875 Einwohner; am 16. Juni 1925: 2302 Einwohner. Um die Entwicklung der Gemeinde in den letzten drei Jahrzehnten hat sich der am 1. Februar 1923 nach 32-jähriger Dienstzeit in den Ruhestand getretene Gemeindevorstand Otto Merz verdient gemacht. Seit 1873 besitzt Eythra einen Bahnhof an der Strecke Leipzig - Zeitz - Saalfeld. Früher hatte der Ort Postamt III. Klasse, nach Auflösung des Postbezirkes in Postagenturen besitzt es leider nur noch eine Postagentur. Im 1903 erbauten Rathaus befinden sich die Räume für die Gemeindeverwaltung mit Standesamt für Eythra und Bösdorf und die Gemeinde-, Spar- und Girokasse, die Bürgermeister- und Oberwachtmeisterwohnung. Zur Gemeinde gehörte das seit fast 100 Jahren im Besitze der Familie Anger-Coith befindliche Rittergut Eythra und das Gut Eythra-Neuhof, jetziger Besitzer ist Herr Dr. phil. Kramer. Eythra wurde 1888, 1891 und im August 1924 vom Hochwasser der Weißen Elster arg heimgesucht. Neun Betriebe verschiedener Industriezweige (Eisengießerei, Schamottewaren, Metall- und Korbwaren, Zelluloidartikel, Lederpappenfabrik) haben in Eythra ihren Sitz. Eine neue Schule wurde 1885/86 erbaut und die neueste Johannis 1901 geweiht. Jetzt sind schon acht Lehrkräfte tätig, die 273 Schulkinder unterrichten. Im Weltkriege erlitten 58 Einwohner den Heldentod. Eythra ist im weiteren Aufblühen begriffen. Es sind die günstigsten Entwicklungsmöglichkeiten vorhanden: günstige Bahnverbindung, Nähe der Großstadt (9 km), reichliches Baugelände, reges Gemeindeleben und zahlreiche Arbeitskräfte. Mit den Vorzügen der Großstadtnähe vereinigt Eythra die Annehmlichkeiten des Landlebens, begünstigt durch besonders schöne Lage an der Weißen Elster mit waldreicher Umgebung (Eichwald, Nähe der Harth), altertümliches Schloß mit schönem Park und berühmter Allee vierhundertjähriger Linden, unter denen schon der Altmeister Goethe wandelte. Eythra ist deshalb auch heute noch ein gern und viel besuchter Ausflugsort. Elektrische Straßenbeleuchtung ist vor kurzem eingeführt worden. Die Bautätigkeit wird nach Kräften gefördert, um die Wohnungsnot allmählich zu beheben. Die Gemeindeverwaltung, geleitet von einem berufsmäßigen Bürgermeister, ist neuzeitlich eingerichtet und bestrebt, die Gemeinde auf allen Gebieten vorwärtszubringen. Neben einer schönen, waldreichen Umgebung bietet auch der Ort selbst manches Sehenswerte. Im ältesten Ortsteil liegt der Dorfteich. Die sichelförmige Anlage um den früher größeren Gemeindeteich ist sorbischen Ursprungs. Der Ortsteil unterliegt dem Heimatschutz nach einem besonderen Ortsgesetz. Das Schloß mit seinen schönen Park gehört seit 1819 der Familie Anger-Coith. Eine vierreihige Lindenallee im Park ist sehenswert; sie lockt im Sommer viele Erholungsbedürftige an, die im Schatten der vielhundertjährigen Bäume die Mühen des Werktags zu vergessen suchen. Am Ausgang der alten Lindenallee, der sich der Eichwald anschließt, steht auf einem Hügel ein aus starken Steinsäulen errichteter mit großen Quadern abgedeckter Bau. Er ist nach dem Vorbild, der in der römischen Campagna noch vielfach zu sehenden Überresten, altrömischer Bauten errichtet. Kein Geringerer als Goethe soll die Anregung zu dem vom Grafen von Werthern auf Eythra, dessen häufiger Gast der Dichterfürst war, errichteten Bau gegeben haben. Ein idyllischen Plätzchen mit schattigen Spaziergängen bietet auch der Rohrteich im Schloßpark. Noch manches Schöne bietet Eythra, so die alte Kirche, die Elsterbrücke, die Mühle. Nicht unerwähnt bleiben darf das 1912 erbaute und seitdem wesentlich vergrößerte Gemeinde-Fluß-, Licht- und Luftbad (Familienbad). Es hat eine 200 - 300 m lange Schwimmbahn von 1½ bis 2 m Tiefe sowie ein auszementiertes Kinderbad. Auch ein Turn- und Spielplatz ist vorhanden. All diese Vorzüge Eythras machten das Leben in diesem
Ort so lebenswert und anziehend für viele Menschen. |
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